KABARETT Duo Lomenko & Sacharow lädt zum „Sexualkongress“ in Saulheimer Kunstbühne
Was darf’s sein? Vulgärer Ami, Macho-Spanier, geschmackloser Russe oder orientalischer Harems-Pascha? Olga Lomenko und Dimitrij Sacharow hatten sie alle im Gepäck. So wunderte es auch nicht, dass die Kleine Kunstbühne zum „VI. Internationalen Kongress zur Sexualforschung und Sexualpsychologie“ bis auf den letzten Platz ausverkauft war.
„Stellen Sie sich vor“, lautete die mantraartige Zauberformel, mit der Frau Prof. Dr. Olga Lomenko den Kopf als erogenste aller Zonen ins magisch knisternde Szenario des Karnevals in Venedig entführte, um dort das eigentliche, faszinierende Gedankenspiel des Stelldichein mit einem rätselhaften Unbekannten zu entfalten, dessen Herkunftsland es vom Publikum zu erraten galt. Zu sanftem Roticht, den Geruch von Holz in der Nase und möglicherweise einem Glas Wein vor der gut gelaunten Miene auf Stuhl oder Barhocker setzten den entspannten, atmosphärischen Akzent, den es brauchte, um als „Kongressteilnehmer“ den Verstand ausl- und die Phantasie einzuschalten.
Gestrenger hornbebrillter Blick und Business-Dress
Wenn also der geneigten Dame in der venezianischen Gondel die Familie Simpson auf dem T-Shirt des Unbekannten quasi ins Gesicht fällt, dann, so die Frau Doktor, liege das Herkunftsland auf der Hand. Keine Frage, die gestrenge Dame im hautengen Business-Dress, der zu großen Brille und dem markigen Akzent russischer Prägung hat sich schlau gemacht in Sachen internationale Balz. Weniger schlau, dafür aber liebevoll vertrottelt komplettiert Prof. Sacharow an ihrer Seite die chaotische Fachtagung. Wortwitz, eine scharfe Zunge und eine Naturgewalt an Mimik und Gestik beeinflussten die erogene Rotation des blauen Planeten im kabarettistischen Mikrokosmos der urigen Kunstbühne, die an diesem Abend alles andere als klein war.
Neben kühlen Fakten über jedes Land, die heißer nicht hätten vorgetragen werden können, waren es die „Videos“, die keine waren und aufgrund technischen Unvermögens seitens des Räucherstäbchen rauchenden Assistenten mit Hochschulabschluss live mit Gesang, Klavier und allerlei illustren Requisiten das Zwerchfell strapazierten. Genial überzogen und schon fast im Stile eines jener unbeholfenen russischen Versuche in Zeiten des Kalten Kriegs, filmisch westliche Dekadenz zu analysieren, brillierte das Duo in allen Bereichen.
So konnte etwa die Frage beantwortet werden, warum Don Juan heutzutage wohl kaum noch als Archetyp spanischer Männlichkeit fungieren kann: Don Juan hat nicht, bis er Ende 30 war, noch bei seiner Mutter gewohnt. Ebenso wurde dem derben russischen Anti-Gentleman, der der Frau, die den Kartoffelsack vom Einkauf noch zwischen den Zähnen trägt, lieber die Tür aufhält, als ihn ihr abzunehmen, Platz auf dem internationalen Parkett eingeräumt werden. Summa summarum kann diesem unvergesslichen Abend die Jugendfreigabe erteilt, ja sogar dringend empfohlen werden, denn schließlich ist die Unwissenheit die Wurzel vielen Übels – und die bahnbrechenden Erkenntnisse der Herrschaften Lomenko und Sacharow dürften dazu beigetragen haben, diese Welt ein bisschen erogener zu machen, denn: Der nächste Urlaub kommt bestimmt.
Quelle: Allgemeine Zeitung Rhein/Main, Saulheim, Christopher Mühleck